Meine
erste „echte“ Erfahrung mit einer Demenzpatientin hatte ich mit Frau Liesel. Sie saß
in ihrem Rollstuhl und wollte in den Aufzug. Sie war aufgeregt und schimpfte so
vor sich hin. Ich bat sie etwas zurück zu fahren, weil ich zwei Damen zum Essen
bringen wollte. Sie erklärte, sie habe keine Zeit, ihre Tochter würde sie
abholen und warte sicher schon unten vor der Tür. Geistesgegenwärtig antwortete ich, dass
ihre Tochter angerufen habe und sich verspäten würde. Sie könne also
beruhigt abwarten.
Sie
pitschte mich in den Arm und rief:“Arschloch“
Vollkommen
perplex bat ich die beiden anderen Damen in den Aufzug und brachte sie zum
Speiseraum. Bei meiner Rückkehr saß Frau Liesel immer noch am Aufzug und rief
entzückt, als sie mich sah: „Da ist ja mein Levje“
In
ihrem Leben hatte sie sehr viel verloren. 2 Männer, viel Geld, einen Sohn und
der Rest kümmerte sich auch nicht allzu regelmäßig um sie. Sie versteckte alles
was nicht Niet und Nagel fest war zwischen ihren Beinen im Rollstuhl. Da kamen
ab und an die lustigsten Überraschungen zu Tage. Einmal hatte sie sich Ostereier
gemopst und ich konnte mir die Frage -wie lange sie noch brüten wolle- nicht
verkneifen.
Sie
kam aus dem gleichen Ort wie ich und bat mich immer nach ihrer Wohnung zu
schauen, wenn ich nach Hause fahren wollte.
Ihre
Wohnung war schon lange aufgelöst, danach hatte sie auch in der Stadt gelebt- diese Erinnerung fehlte ihr aber.
Am Kirmessonntag haben ich und mein Mann
Frau Liesel abgeholt und sind mit ihr ins Festzelt. Sie war total begeistert, erzählte Anekdoten aus ihrem Leben und genoss sichtlich die Musik und die Menschen um sie herum.
Wir sind dann eine große Runde durch unser Dorf gegangen. Sie erzählte wer wo
wohnte, wie die Familien miteinander verwandt sind und als wir an ihrer alten
Wohnung vorbei gingen sagte sie ganz leise:“Da sind sicher keine Möbel mehr von
mir.“
Im
Rollstuhl saß sie, weil sie seit Jahren unter offenen Beinen litt. Sie hatte im Krieg in einer Munitionsfabrik gearbeitet und meinte es läge an den Chemikalien, die sie dort ungeschützt verarbeiten musste.
Jegliche Versuche
diese Erkrankung unter Kontrolle zu bekommen scheiterten und so bekam sie erst
das eine und 2 Monate später das zweite Bein amputiert. Ich denke, dass sie
dies und eine Infektion den Lebensmut gekostet hat.
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