Lebte in der gleichen Einrichtung und hatte
Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Lungenmetastasen im Endstadium.
Er war
Kettenraucher und Alkoholiker, seine Wesen war unwirsch. Jeder in seiner
Umgebung versuchte den Kontakt zu ihm zu vermeiden.
Man bat mich um Unterstützung,
weil sich seine permanente Meckerei auf die Mitbewohner und Mitarbeiter
auswirkte. Da er gerne und viel Kaffee
trank hatten wir eine Gemeinsamkeit, die mir eine Möglichkeit der
Kontaktaufnahme bot.
Ich
verabredete mich von Anfang an täglich zur gleichen Zeit mit ihm und nach
anfänglichem Misstrauen begann er mit mir über Dies und Das zu sprechen. Er
erzählte, dass er als Kind einmal in ein Abwasserrohr geklettert sei und dort
stecken blieb. Man hat ihn erst 3 Tage später gefunden und die nachfolgende
Lungenentzündung kostete ihn fast das Leben und sei der Grund für seinen Lungenkrebs.
Im Laufe der Zeit
wurde unser Verhältnis vertrauter und er
begann von seiner Frau und seinen Kindern zu erzählen, von Krisen, die sein
Suff ausgelöst hatten und von der endgültigen Trennung seiner Frau nach 35
jähriger Ehe.
Seine Kinder hatten sich danach auch losgesagt. Immer mehr wurde
mir bewusst, dass er gerne noch einmal Kontakt zu ihnen haben wollte.
Ich
suchte Kontakt zu seiner Schwester, die über seinen Zustand informiert war und
bat sie mit den Kindern Kontakt aufzunehmen.
Leider
waren die Verletzungen der Kindheit wohl so arg, dass sie sich auf ein Treffen
nicht einlassen konnten.
Herr B. reagierte zuerst fassungslos, aber seine Trauer über
diese Entscheidung schlug um in eine Art Bockigkeit.
Er
beauftragte einen Bestatter mit seinem anonymen Begräbnis. Niemand dürfe
wissen, wo er beerdigt würde.
Ich diskutierte mit ihm auf Teufel komm raus,
dass er damit den Wunsch seiner Kindern, die vielleicht irgendwann das Bedürfnis nach einem
Besuch zum Grab des Vaters bekämen, verweigere.
Herr Ernst meinte, dass hätten sie sich dann früher
überlegen sollen.
Nach
einer Zeit entwickelten sich Gespräche über das Warum und das Danach.
Zu
dem Warum sagte ich ihm, dass er sich seinen Lungenkrebs und
Bauchspeicheldrüsenkrebs teuer ersoffen und erraucht habe.
Das
Danach machte ihm Angst, er meinte er hätte gerne meine Zuversicht, dass es
etwas gäbe, für das es sich lohne zu sterben. In diesem Gespräch wurde mir
bewusst, dass es eigentlich egal ist- ob etwas danach kommt. Wenn ja, dann
könne er sich freuen, dass es weiter gehe- wenn nein, sei es doch egal, weil es
dann vorbei sei. An diesem Tag bat er mich früher zu gehen, weil er noch eine
Runde durchs Haus machen wolle.
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